1. Einleitung: Die strategische Bedeutung der Echtzeit-Verfügbarkeit
Die öffentliche Apotheke in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel, der von zwei gegenläufigen Kräften geprägt ist: Auf der einen Seite steht der steigende Kostendruck und die Notwendigkeit zur Prozessoptimierung, auf der anderen Seite wachsen die Anforderungen an die Versorgungsqualität und Patientensicherheit in einem Umfeld zunehmender globaler Lieferengpässe. In diesem Spannungsfeld hat sich die Frage der „Lieferbarkeit“ einer Pharmazentralnummer (PZN) von einer rein logistischen Information zu einer strategischen Ressource entwickelt. Die Fähigkeit, innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde valide Informationen über die Verfügbarkeit eines Arzneimittels zu erhalten, entscheidet heute über den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke und – was noch schwerer wiegt – über die therapeutische Sicherheit des Patienten.
Das Protokoll, das diese kritische Informationsübermittlung ermöglicht, ist MSV3 (Medium Speed Version 3). Es stellt das digitale Rückgrat der Kommunikation zwischen der Apotheke, dem pharmazeutischen Großhandel und zunehmend auch der pharmazeutischen Industrie dar. Während der Vorgängerstandard MSV2 noch auf der starren und inzwischen obsoleten ISDN-Technologie basierte, nutzt MSV3 die Flexibilität und Geschwindigkeit moderner Webservices über das Internet. Doch MSV3 ist mehr als nur ein technisches Update; es ist ein Paradigmenwechsel von einer sitzungsbasierten Bestellübermittlung hin zu einer Echtzeit-Interaktion, die tief in die Warenwirtschaftssysteme (WaWi) integriert ist.
Dieser Forschungsbericht bietet eine erschöpfende Analyse der MSV3-Schnittstelle mit einem besonderen Fokus auf die Verfügbarkeitsabfrage. Wir untersuchen die technische Architektur, die Implementierung in führenden Systemen wie IXOS, WINAPO® und VARIO, sowie die Rolle von Intermediären und Datenplattformen wie pharmazie.com. Ziel ist es, Apothekern und Entscheidungsträgern in der Pharmabranche ein tiefgreifendes Verständnis der Mechanismen zu vermitteln, die ihren täglichen Betrieb am Laufen halten, und aufzuzeigen, wie durch intelligente Integration – etwa durch die Lösungen von pharmazie.com – Wettbewerbsvorteile generiert werden können.
2. Historische Entwicklung und technologischer Kontext
Um die Leistungsfähigkeit von MSV3 vollständig zu würdigen, ist ein Blick auf die Evolution der Bestellverfahren notwendig. Die pharmazeutische Logistik war schon immer ein Vorreiter in der Just-in-Time-Belieferung. Die Dichte der Belieferung – oft mehrmals täglich durch den Großhandel – ist weltweit einzigartig. Diese logistische Meisterleistung erfordert jedoch eine ebenso leistungsfähige Dateninfrastruktur.
2.1 Von MSV1 und MSV2 zu MSV3
In den frühen Phasen der elektronischen Bestellung (MSV1) wurden Daten noch über einfache Modemverbindungen übertragen, oft asynchron und fehleranfällig. Mit MSV2 etablierte sich ein Standard, der lange Zeit die Branche dominierte. MSV2 basierte auf dem ISDN-Netz und dem X.400-Protokoll oder direkten Einwahlen (Point-to-Point).
Der Prozess bei MSV2 war linear und zeitaufwendig: Die Apotheke sammelte Aufträge, das Modem wählte sich beim Großhändler ein (Handshake), die Daten wurden übertragen, und nach einer Verarbeitungspause wurden Rückmeldungen empfangen. Dieser Vorgang blockierte Telefonleitungen und dauerte oft Minuten. Eine „Mal eben“-Abfrage, ob ein Artikel lieferbar ist, während der Kunde am Handverkaufstisch (HV) wartet, war technisch kaum realisierbar oder störte den Betriebsablauf massiv.
Mit der Abkündigung der ISDN-Technik durch die Telekommunikationsanbieter und dem exponentiellen Anstieg des Datenvolumens wurde ein neuer Standard unumgänglich. MSV3 wurde als Antwort auf diese Herausforderungen entwickelt. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt der maßgeblichen Branchenverbände: dem Deutschen Apothekerverband (DAV), dem Bundesverband Deutscher Apothekensoftwarehäuser (ADAS) und dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO). Diese korporatistische Zusammenarbeit stellte sicher, dass der Standard von allen Marktteilnehmern akzeptiert und implementiert wurde.
2.2 Der Paradigmenwechsel: Internet und Webservices
Der fundamentale Unterschied von MSV3 liegt in der Nutzung des Internets (TCP/IP) als Trägermedium und der Verwendung von Webservices (SOAP/XML) für den Datenaustausch.
| Technologisches Merkmal | MSV2 (Legacy) | MSV3 (Aktueller Standard) | Implikation für die Apotheke |
| Übertragungsmedium | ISDN / Analoge Telefonleitung | Internet (Breitband / Glasfaser / LTE) | Keine blockierten Leitungen, parallele Datenströme möglich. |
| Kommunikationsart | Session-basiert (Einwahl) | Request-Response (Echtzeit) | Sofortige Antworten (< 1 Sekunde) ermöglichen Live-Abfragen am HV. |
| Sicherheit | Physische Leitungssicherheit | SSL/TLS Verschlüsselung (HTTPS) | Höchster Schutz sensibler Patientendaten über öffentliche Netze. |
| Datenformat | Proprietäre Binär- oder Textformate | XML (Extensible Markup Language) | Hohe Interoperabilität zwischen verschiedenen WaWi-Systemen und Lieferanten. |
| Funktionalität | Fokus auf Bestellung | Bestellung + Verfügbarkeit + Lieferavis | Erweiterte Services wie Retouren und Rückkaufangebote möglich. |
Die Umstellung auf ein webbasiertes Protokoll hat den operativen Betrieb in Apotheken robuster gemacht als die legacy-basierten Verfahren. Moderne Sicherheitsmechanismen wie definierte Freischaltungen und verschlüsselte Übertragungen sind im Standard verankert. Dies ist besonders relevant im Hinblick auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die Sicherheit der Telematikinfrastruktur.
3. Technische Architektur der MSV3-Schnittstelle
Ein tiefes Verständnis der technischen Abläufe hilft, Fehlerquellen zu identifizieren und die Konfiguration der Warenwirtschaft zu optimieren. MSV3 fungiert als standardisierte „Sprache“, die es dem Warenwirtschaftssystem (Client) erlaubt, mit dem ERP-System des Großhändlers oder Herstellers (Server) zu kommunizieren.
3.1 Der Anatomie einer Verfügbarkeitsabfrage (Availability Check)
Der Prozess einer Verfügbarkeitsabfrage unterscheidet sich technisch von einer Bestellung, nutzt aber dieselbe Infrastruktur. Wenn ein Apotheker eine PZN scannt oder manuell eingibt, löst das WaWi im Hintergrund einen synchronen Webservice-Call aus.
Dieser Request ist in der Regel ein XML-Dokument. Obwohl die exakten Schemata proprietär den Spezifikationen des ADAS und PHAGRO unterliegen, folgt die Logik modernen XML-Standards, wie sie auch in anderen Branchen üblich sind. Der Request enthält essentielle Parameter:
- Authentifizierung: Credentials (User/Passwort oder Token), die die Apotheke eindeutig identifizieren.
- Transaktions-ID: Eine eindeutige Nummer, die diesen spezifischen Abfragevorgang kennzeichnet.
- Artikel-Identifikation: Die PZN (Pharmazentralnummer) als eindeutiger Schlüssel.
- Mengenanforderung: Die gewünschte Stückzahl.
Das System des Lieferanten (z.B. Phoenix, NOWEDA, Sanacorp oder ein Direktlieferant wie MSD) empfängt diesen Request, verarbeitet ihn gegen den aktuellen Lagerbestand und sendet eine XML-Response zurück.
3.2 Interpretation der XML-Response und Statuscodes
Die Antwort des Servers enthält weit mehr als ein einfaches „Ja“ oder „Nein“. Die MSV3-Spezifikation erlaubt eine differenzierte Darstellung der Liefersituation, die für die Beratung des Patienten entscheidend ist.
Die Response wird vom WaWi geparst – moderne Systeme nutzen hierfür Parser wie den MSXML-Parser oder vergleichbare Bibliotheken – und in eine für den Menschen lesbare Anzeige (Ampelsystem, Text) übersetzt.
Wesentliche Rückmelde-Elemente sind:
- Verfügbarkeitstatus:
- Sofort verfügbar: Ware liegt am lokalen Lager des Großhändlers.
- Zentrallager: Ware ist verfügbar, kommt aber aus einem weiter entfernten Lager (längere Lieferzeit).
- Defekt: Ware ist physisch nicht vorhanden.
- Lieferzeitpunkt: Im Gegensatz zu MSV2 wird oft ein konkretes Datum oder eine Tour-Nummer („Tour 2 um 15:00 Uhr“) übermittelt.2
- Alternativen: Bei Nichtverfügbarkeit kann der Lieferant proaktiv Alternativen vorschlagen (z.B. Importware oder andere Packungsgrößen).
- Mengen-Split: Information darüber, ob eine Teillieferung erfolgt (z.B. 3 von 5 Packungen sofort, Rest später).
Die eindeutige Auftragskennung pro Unterauftrag, die in der Response enthalten ist, ist von kritischer Bedeutung für die interne Logistik der Apotheke. Sie hilft dabei, im Order Management System (OMS) oder ERP der Apotheke die Lieferungen sauber abzugleichen, Teillieferungen zuzuordnen und Wareneingänge später automatisiert zu verbuchen. Dies reduziert den manuellen Aufwand bei der Wareneingangskontrolle drastisch.
3.3 Sicherheit und Authentifizierung
Die Sicherheit der MSV3-Verbindung ist ein zentrales Qualitätsmerkmal. Die Übertragung erfolgt zwingend verschlüsselt (HTTPS). Die Authentifizierung erfolgt in der Regel über eine Kombination aus Benutzername und Passwort, die im WaWi hinterlegt werden muss. Einige Implementierungen können auch client-seitige Zertifikate erfordern.
Ein interessantes Detail für Administratoren ist die Verwaltung dieser Zugangsdaten. Wenn eine Apotheke den Großhändler wechselt oder neue Zugangsdaten erhält, müssen diese oft an spezifischen Stellen im System eingepflegt werden. Ein Ausfall der MSV3-Schnittstelle ist häufig auf abgelaufene Passwörter oder fehlerhafte Konfigurationen nach einem Software-Update zurückzuführen. Die Robustheit des Systems hängt also auch von der „Cyber-Hygiene“ in der Apotheke ab.
4. Integration in führende Warenwirtschaftssysteme (WaWi)
Die Theorie des MSV3-Protokolls manifestiert sich in der täglichen Praxis durch die Benutzeroberfläche der Apothekensoftware. Die deutschen Marktführer haben MSV3 tief in ihre Workflows integriert, wobei es Nuancen in der Umsetzung gibt.
4.1 IXOS (Pharmatechnik)
Das System IXOS von Pharmatechnik zeichnet sich durch eine besonders flexible Handhabung von MSV3 und dessen Weiterentwicklung MSV3 2.0 aus.
- Multi-Protokoll-Unterstützung: IXOS erlaubt die granulare Einstellung des Sendeprotokolls pro Lieferant. Es wird unterschieden zwischen MSV3 und MSV3 2.0. In der Lieferantenkonfiguration können Präfixe wie „MSV3 2.0 Noweda“ ausgewählt werden, was auf spezifische Anpassungen für bestimmte Großhändler hinweist.
- Visuelles Feedback: Rückmeldungen des Lieferanten werden direkt im Modul „Rückmeldungen bearbeiten“ visualisiert. Wenn ein Rückkaufangebot über MSV3 gesendet wird (Taste F11), generiert das System eine eindeutige Auftragsnummer, die im Infotext angezeigt wird.
- Prozessintegration: IXOS verknüpft die Verfügbarkeitsabfrage eng mit dem Wareneingang. Die übermittelten Lieferdaten (Tour-Infos) werden genutzt, um den erwarteten Wareneingang zu terminieren.
4.2 WINAPO® 64 PRO (CGM Lauer)
CGM Lauer setzt mit WINAPO® auf eine Server-Client-Architektur für die MSV3-Kommunikation.
- Der WCS-Server: Zentrales Element ist der WCS-Server (WINAPO Communication Server). Dieser Dienst muss an einem Arbeitsplatz (idealerweise dem Bestellplatz) installiert sein und einen permanenten Internetzugang haben. Über den Parameter „Installiert an Station“ wird der Host definiert. Ein Neustart der Station ist oft erforderlich, um den Server zu aktivieren.
- Einrichtungsworkflow: Die Konfiguration erfolgt in der „Personenverwaltung“. Dort wird beim Lieferanten im Register „Anbieter/Lieferant“ die Verfügbarkeitsabfrage auf „Über Webservice“ gestellt. Erst dann blenden sich die Felder für Webservice-Login und Passwort ein.
- Echtzeit-Verhalten: WINAPO® unterscheidet zwischen „Aktiv senden“ (Sofortübertragung, ideal für Akutbedarf) und „Bereitstellen“ (Sammelbestellung zur Anrufzeit). Bei MSV3-Lieferanten entfallen veraltete Funktionen wie „GH-Mitteilung“, da das Protokoll dies durch strukturierte Daten ersetzt.
4.3 VARIO
VARIO positioniert seine MSV3-Schnittstelle als Teil einer umfassenden „Pharmahandel“-Lösung. Das System betont die Client-Server-Struktur, wobei der MSV3-Server konfiguriert werden muss, um Anfragen der Clients (Kassen) zu bündeln und zu versenden. VARIO hebt besonders die Vorteile der Automatisierung und der Verschlüsselung hervor, was den Fokus auf Datensicherheit unterstreicht.
5. Direktbestellung und Herstelleranbindung (D2C)
Eine der disruptivsten Eigenschaften von MSV3 ist die Demokratisierung des Bestellweges. Während früher der pharmazeutische Großhandel (Wholesaler) als Gatekeeper fungierte, ermöglicht MSV3 nun den direkten „Tunnel“ zum Hersteller (Direct-to-Pharmacy).
5.1 Auflösung des Monopols
Traditionell bestellten Apotheken ihre Ware fast ausschließlich beim vollversorgenden Großhandel (Phagro). Direktbestellungen beim Hersteller waren bürokratisch (Fax, Mindestbestellwert, Telefon). MSV3 hat diese Barriere gesenkt. Hersteller können nun eine MSV3-Schnittstelle bereitstellen, die sich für die WaWi der Apotheke exakt so verhält wie die eines Großhändlers.
5.2 Case Studies: MSD, Orifarm und Abacus Medicine
Die Nutzung von MSV3 durch große Hersteller zeigt den Wandel in der Branche:
- MSD (Merck Sharp & Dohme): MSD nutzt MSV3 strategisch, um proprietäre Plattformen wie „Pharma mall“ abzulösen. Das Ziel ist es, Bestellungen direkt aus der Apothekenkasse in das SAP-System von MSD fließen zu lassen. Der Vorteil für die Apotheke liegt auf der Hand: Automatische Warenverfügbarkeitsanfragen bei mehreren Lieferanten und eine sofortige Aussage über die Lieferfähigkeit – inklusive der Anzeige von Alternativprodukten bei Defekten.
- Orifarm: Als Spezialist für Importarzneimittel nutzt Orifarm MSV3 für aggressive Serviceversprechen. Die Schnittstelle bietet eine „Live-Sicht“ auf den Bestand. Ein entscheidender USP (Unique Selling Point) ist die verlängerte Bestellzeit: Aufträge, die bis 18:30 Uhr über MSV3 eingehen, werden am Folgetag geliefert. Zudem werden Retouren automatisiert und elektronische Lieferavise versendet, was den administrativen Aufwand in der Apotheke massiv senkt.
- Abacus Medicine: Auch dieser Anbieter nutzt die internetbasierte Schnittstelle, um den Einkauf effizienter zu gestalten und positioniert sich als technologisch fortschrittlicher Partner für den Importmarkt.
Diese Entwicklung führt dazu, dass Apotheken heute eine „Lieferantenkaskade“ im WaWi hinterlegen: Zuerst wird beim Hersteller (bessere Konditionen) angefragt, und nur bei „Defekt“ fällt die Bestellung automatisch an den Großhändler (schnellere Lieferung) zurück. MSV3 macht dieses komplexe Routing in Millisekunden möglich.
6. Die Rolle von pharmazie.com: Datenintelligenz trifft Logistik
In diesem Ökosystem nimmt pharmazie.com eine Sonderrolle ein. Es ist kein Großhändler und kein WaWi-Hersteller, sondern der zentrale Daten-Hub, der die Informationen veredelt, die über die physischen Leitungen fließen.
6.1 Überwindung von Informationsasymmetrien
Eine reine MSV3-Rückmeldung „Nicht lieferbar“ ist für den Apotheker unbefriedigend. Warum ist es nicht lieferbar? Gibt es eine generelle Marktenge? Gibt es Alternativen? Hier greift pharmazie.com ein.
Durch die Arzneimitteldaten-API-Integration können WaWi-Hersteller und Apotheken auf einen riesigen Datenpool zugreifen, der weit über die reine Bestandsinfo hinausgeht.
- Lieferengpass-Modul: pharmazie.com aggregiert Daten zu Lieferengpässen. Wenn MSV3 einen Defekt meldet, kann das System über die API prüfen, ob ein offizieller Engpass vorliegt (z.B. basierend auf BfArM-Meldungen) und wie lange dieser voraussichtlich dauern wird.
- Intelligente Alternativsuche: Statt manuell im Buch zu blättern, liefert die API auf Basis der ABDA-Datenbank PlusX sofort wirkstoffgleiche Alternativen (Aut-idem), die dann wiederum per MSV3 auf Verfügbarkeit geprüft werden können.
6.2 Pilotprojekt: MSV3 im Webportal
Eine bedeutende Innovation ist das Pilotprojekt, die MSV3-Verfügbarkeitsprüfung direkt in die Oberfläche von pharmazie.com zu integrieren.
Das Szenario: Ein Apotheker recherchiert auf pharmazie.com nach einem seltenen Zytostatikum oder einem internationalen Präparat. Normalerweise müsste er die PZN kopieren, in sein WaWi wechseln und dort die Verfügbarkeit prüfen. Durch die Integration kann er direkt auf der Informationsseite sehen, ob sein hinterlegter Großhändler oder der Hersteller das Produkt liefern kann. Dies schließt den Medienbruch zwischen „Information“ (Recherche) und „Transaktion“ (Bestellung).
6.3 Zusätzliche Sicherheits-Layer
Ergänzend zur Verfügbarkeit bietet pharmazie.com über Webservices Module für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) an. Der Webdienst Arzneimittel Sicherheitscheck prüft Interaktionen, Kontraindikationen und Allergien.
In einer idealen digitalen Prozesskette läuft dies parallel zur MSV3-Abfrage:
- PZN wird gescannt.
- MSV3 prüft: „Ist es da?“
- pharmazie.com API prüft: „Ist es sicher für diesen Patienten?“
- Beide Antworten liegen vor, bevor der Apotheker das Medikament aus der Schublade holt.
7. Lieferengpässe und globale Lieferketten: Der Kontext der „Nicht-Verfügbarkeit“
Wenn die MSV3-Ampel auf „Rot“ springt, ist dies oft das letzte Glied einer langen Kette globaler Ereignisse. Um die Bedeutung der „PZN Lieferbarkeit“ zu verstehen, muss man den Begriff „Active Pharmaceutical Ingredient“ (API) im pharmazeutischen Sinne betrachten.
Wie Berichte des BAG und anderer Behörden zeigen, ist die Abhängigkeit von Wirkstoffherstellern (API-Produzenten) in Asien massiv. Ein Produktionsausfall in einer Fabrik in China kann Monate später zu einem „Defekt“ in der MSV3-Meldung einer deutschen Apotheke führen. Da es oft keine Pflichtlagerhaltung für APIs gibt, schlagen diese Schocks ungepuffert durch.
MSV3 löst das Ursachenproblem (den globalen Mangel) nicht, aber es ist das einzige Werkzeug, das der Apotheke erlaubt, die Auswirkungen zu managen. Durch die Echtzeit-Vernetzung mit vielen verschiedenen Lieferanten (Großhändler A, Großhändler B, Hersteller direkt, Importeur) kann die Apotheke das verbleibende Angebot im Markt effizient scannen („Ping-Pong-Abfragen“). Ohne MSV3 wäre das Management der aktuellen Lieferkrise in den Apotheken operativ nicht zu bewältigen; das Personal wäre nur noch mit Telefonieren beschäftigt.
8. Strategischer Leitfaden für die Apothekenpraxis
Aus der Analyse ergeben sich klare Handlungsempfehlungen für Apothekenleiter, um die Möglichkeiten von MSV3 und pharmazie.com optimal zu nutzen.
8.1 Optimierung der Lieferanten-Konfiguration
Viele Apotheken nutzen MSV3 nur im „Standardmodus“ (ein Hauptlieferant). Das verschenkt Potenzial.
- Empfehlung: Richten Sie alle verfügbaren Lieferanten (auch den Zweit- und Drittgroßhandel) als MSV3-Partner ein.
- Kaskaden-Logik: Definieren Sie im WaWi eine klare Kaskade. Beispiel: „Prüfe erst Hersteller (D2C) -> Wenn nein, prüfe Hauptlieferant -> Wenn nein, prüfe Zweitlieferant.“ Dies automatisiert die Mangelverwaltung.
8.2 Nutzung der Echtzeit-Informationen am HV
Schulen Sie das Personal darin, die MSV3-Rückmeldungen aktiv im Kundengespräch zu nutzen.
- Transparenz: Sagen Sie dem Kunden nicht „Wir müssen das bestellen“, sondern „Ich sehe hier, das Medikament ist im Lager in Köln und wird heute Nacht mit der Tour um 4:00 Uhr geliefert. Sie können es morgen ab 8:30 Uhr abholen.“ Die Präzision der MSV3-Daten schafft Vertrauen.
8.3 Integration von pharmazie.com als „Intelligence Layer“
Verlassen Sie sich bei „Defekten“ nicht auf die Aussage des Großhändlers allein.
- Empfehlung: Nutzen Sie die Integration der pharmazie.com-Daten, um bei Nicht-Lieferbarkeit sofort Alternativen zu validieren. Abonnieren Sie Engpass-Updates, um proaktiv gewarnt zu werden, bevor der Patient vor Ihnen steht.
9. Fazit und Ausblick
Die Verfügbarkeitsprüfung per PZN über MSV3 ist der Goldstandard der pharmazeutischen Logistik in Deutschland. Sie hat die Branche von der Starrheit der ISDN-Leitungen befreit und ein Echtzeit-Netzwerk geschaffen, das Apotheken, Großhändler und Hersteller verbindet.
Technisch gesehen ist MSV3 robust, sicher (SSL/XML) und dank der breiten Unterstützung durch Softwarehäuser wie Pharmatechnik (IXOS), CGM (WINAPO®) und VARIO flächendeckend verfügbar. Wirtschaftlich ermöglicht es eine Reduzierung der Lagerbestände und eine Optimierung der Einkaufskonditionen durch Direktbestellungen.
Doch die Technik ist nur so gut wie die Daten, die sie transportiert. In einer Welt der Lieferengpässe wird die Kombination aus Transaktions-Speed (MSV3) und Daten-Intelligenz (pharmazie.com) zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Plattformen wie pharmazie.com, die diese Welten durch APIs und Web-Integrationen verschmelzen, weisen den Weg in die Zukunft: Eine Apotheke, die nicht nur weiß, dass etwas fehlt, sondern sofort weiß, was die beste Alternative ist und wo sie diese bekommt.
Für Apothekenleiter ist die Botschaft klar: Die Investition in die saubere Konfiguration der MSV3-Schnittstellen und die Anbindung an intelligente Datenpools ist keine IT-Spielerei, sondern eine Investition in die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens.
10. Anhang: Tabellarische Übersicht der System-Features
Um die Unterschiede in der Implementierung von MSV3 zu verdeutlichen, bietet die folgende Tabelle eine Übersicht basierend auf den analysierten Daten.
| Feature / System | IXOS (Pharmatechnik) | WINAPO® (CGM Lauer) | VARIO |
| MSV3 Version | MSV3 & MSV3 2.0 (wählbar) | MSV3 Version 1 & 2 | MSV3 (Fokus Verschlüsselung) |
| Architektur | Integriert, lieferantenspezifisch | WCS-Server (Hintergrunddienst) | Client-Server-Modell |
| Rückmeldung | Visuell im Modul „Rückmeldungen“ | Direkt in Artikelzeile (Tour/Datum) | Fokus auf Automatisierung |
| Besonderheit | Unterstützung zahlreicher D2C-Partner | Unterscheidung „Aktiv Senden“ / „Bereitstellen“ | Prozessintegration in WaWi |
| Konfiguration | Über Lieferantenstamm / Parameter | Personenverwaltung / Webservice-Login | Servereinstellungen |
Referenzen
- MSV3-Bestellungen – MSD, accessed on November 24, 2025, https://www.msd.de/wp-content/uploads/sites/33/2025/09/MSV3-Flyer_KundenVersion.pdf
- MSV3 – Hintergrund und Erklärungen | VARIO Lexikon, accessed on November 24, 2025, https://lexikon.vario-software.de/msv3/
- MSV3 – eine Norm verbessert die Bestellabläufe – PHAGRO, accessed on November 24, 2025, https://www.phagro.de/pressemitteilungen/msv3-eine-norm-verbessert-die-bestellablaeufe/
- Was ist MSV3? – Hublify, accessed on November 24, 2025, https://hublify.io/was-ist/msv3
- Überblick über das Online-Bestellverfahren per MSV3, accessed on November 24, 2025, https://ixos-onlinehilfe.pharmatechnik.de/Default/Content/PT5_Sortiment/Warenlogistik/00_Globale_und_Sonstige/01_msv3.htm
- GetUserAvailabilityResponse – Microsoft Learn, accessed on November 24, 2025, https://learn.microsoft.com/en-us/exchange/client-developer/web-service-reference/getuseravailabilityresponse
- responseXML Property (ServerXMLHTTP-IServerXMLHTTPRequest) | Microsoft Learn, accessed on November 24, 2025, https://learn.microsoft.com/en-us/previous-versions/windows/desktop/ms757055(v=vs.85)
- MSV3-Bestellverfahren – Einrichten und Konfigurieren – WIKI LAUER-FISCHER GmbH, accessed on November 24, 2025, https://wiki.lauer-fischer.de/MSV3-Bestellverfahren_%E2%80%93_Einrichten_und_Konfigurieren
- MSV3-Anfrage und -Bestellung: Unterstützende Lieferanten – IXOS-Onlinehilfe, accessed on November 24, 2025, https://ixos-onlinehilfe.pharmatechnik.de/Default/Content/PT5_Sortiment/Online-Anfrage/unterstuetzte_grosshaendler.htm?TocPath=IXOS%20Warenwirtschaft%7C%7CUnterst%C3%BCtzte%20Gro%C3%9Fh%C3%A4ndler%7C_____0
- Zugangsdaten Warenverfügbarkeitsabfrage hinterlegen – WIKI …, accessed on November 24, 2025, https://wiki.lauer-fischer.de/index.php?title=Zugangsdaten_Warenverf%C3%BCgbarkeitsabfrage_hinterlegen&mobileaction=toggle_view_desktop
- MSV3-Bestellverfahren: Unterschiede zu MSV2 / Tipps zum Arbeiten – WIKI LAUER-FISCHER GmbH, accessed on November 24, 2025, https://wiki.lauer-fischer.de/MSV3-Bestellverfahren:_Unterschiede_zu_MSV2_/_Tipps_zum_Arbeiten
- MSV3-Schnittstellen – VARIO 8 Handbuch, accessed on November 24, 2025, https://help.vario-software.de/vario-8-handbuch/vario-fuer-den-pharmahandel/msv3-schnittstelle/
- MSV3 Einrichtung – Orifarm, accessed on November 24, 2025, https://www.orifarm.com/msv3/
- MSV3 in der Apotheke: Alles Wichtige zur sicheren Lieferung! – Abacus Medicine, accessed on November 24, 2025, https://www.abacusmedicine.com/de/msv3/
- API für Arzneimittelinformationen und Produktabbildungen – die umfassende Arzneimitteldatenbank-API der Zukunft – Pharmazie.com, accessed on November 24, 2025, https://go.pharmazie.com/de/api-fuer-arzneimittelinformationen-und-produktabbildungen-lt/
- Arzneimitteldaten-API-Integration – Nutzen, Technik & Anwendung – Pharmazie.com, accessed on November 24, 2025, https://go.pharmazie.com/de/arzneimitteldaten-api-integration-nutzen-technik-und-anwendung/
- Dienstleistungen – Go Pharmazie.com, accessed on November 24, 2025, https://go.pharmazie.com/de/dienstleistungen/
- Umsetzungsvorschläge zu den Massnahmen des BAG-Berichts Arzneimittelversorgungs- engpässe Schlussbericht 2024 der Interdiszipl, accessed on November 24, 2025, https://www.bag.admin.ch/dam/de/sd-web/V6pXK3tUjY8H/versorg-bericht-aug2024.pdf

